Re: Darf ich mal eine Frage stellen?
Hallo, Mr. X,
da haben einige ja schon ergiebige Antworten gegeben, irgendwo habe ich mich auch noch mal zu Wort gemeldet, aber an dieser Stelle möchte ich auf einen Punkt doch noch mal näher eingehen, weil mir das beim Lesen schon gleich extrem aufgefallen ist. Nämlich bei Deiner Passage:
Wenn Mütter - 'Mütter' stellvertretend als Herrscher in einer Familie - ihre Söhne in Kleider oder Röcke stecken, obwohl die das gar nicht von sich aus wollen, dann ist der Grund möglicherweise das Erleben eines Machtgefühls, oder, was nicht gar so grausam klingt, das Realisieren eines Tagtraums der Mutter. Vielleicht wollen sie aber auch ihren Buben ja nur mal die Welt in einem größeren Blickwinkel zeigen. (Hoffentlich wird dieser Exkurs dann nicht zu traumatisch für das Kind.)
Die armen Jungen, wenn die in Kleider oder Röcke gesteckt werden! Ist ja furchtbar! Scheußlich!!! (nein, ich meine es genau entgegengesetzt) Hat denn Dich, mich, irgendjemand von uns Männern jemand gefragt, ob wir Hosen anziehen wollen???? Was heißt hier "gegen ihren Willen" (okay, dieser Wortlaut wurde von jemand anderem gebraucht), ist es denn der Wille der kleinen Jungs, in Hosen gesteckt zu werden???? Ist es nicht auch ein Tagtraum von den Erzeugern und denjenigen, die noch drumherumstehen, die wollen, daß der kleine Bub irgendwann mal mit Anzug und Aktenkoffer durch die Gegend läuft? Wenn es grausam ist, kleine Jungen in Röcke und Kleider zu stecken, dann ist es im gleichen Maße auch, sie in Hosen zu stecken.
Mein Opa beispielsweise hat im Kleinkindalter auch Kleidchen und Röcke getragen. Von meinem Vater existiert glaube ich auch solch ein Bild. Ich wüßte nicht, inwieweit diese Tatsache die Psyche dieser beiden Männer gestört hat.
Irgendwann vor fünfzig, sechzig Jahren bestand erstmals "die Möglichkeit", junge Mädchen auch in Hosen zu kleiden. Ach wie grausam, das war ja gegen ihren Willen. Hört man sich heute die jungen Mädchen im Teenie-Alter oder die so rund um 30 an, dann empfinden viele es rückblickend furchtbar, daß sie früher in der Kindheit Röcke und Kleider ggf. tragen mußten.
Und, was machen diejenigen heute? Sie tragen eben Hosen. Sie haben sich davon aus freien Stücken emanzipiert. Und gut hat sich´s.
In der Kindheit muß man halt einiges ertragen, was man so in dieser Form irgendwann einmal nicht mehr für sich akzeptieren möchte. Als Kleinkind hat man eben wenig Möglichkeit, den Stil der Klamotten oder das Muster der Tapeten auszusuchen. Da muß man durch. Umso besser aber ist, je mehr sich die Eltern und diejenigen, die da noch miterziehen, um die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten des Nachwuchses kümmern und Alternativen zu Eingleisigkeiten anbieten.
Wenn Eltern ihren Kindern schon frühzeitig Entscheidungsspielräume auch bei der Gestaltung ihrer Kleidung zubilligen, dann erwerben die Kleinen halt auch schon wesentlich früher eine Kompetenz in Sachen Kleidung (und wahrscheinlich nicht nur da).
Je länger diese Spielräume vorenthalten werden, desto größer die Gefahr, daß aus den geschaffenen Abhängigkeiten kein Entkommen mehr möglich ist. Mir ist es doch lieber, ich stecke meinen Sohn (wenn ich denn einen hätte) auch mal in Röcke und Kleider, als daß er sich in seinem späteren Leben jahrelang damit herumschlägt, die Freiheiten zu erobern, die ich ihm vorenthalten habe. Und dabei wichtige Sachen wie Studium, Partnerschaft schleifen lässt.
Mein Nachwuchs soll mal geistig flexibel sein, um sich den Herausforderungen der Zukunft anpassen zu können - auch dann wenn´s ein Junge ist. Und das fängt ganz entscheidend mit der zweiten Haut, die uns ja unmittelbar umgibt, an.
Meine Umwelt fühlt sich mit mir wohler, wenn ich mich wohl fühle.
Gruß,
Wolfgang
<ul><li>Wider den Hosenzwang</ul>