Re: Artikel in der FR - der Text
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Beim Thema Rock denken die Herren der Schöpfung nur an Musik
Der Versuch, die Männermode zu revolutionieren, blieb
bisher in den Ansätzen stecken
Von Canan Topçu
Die Auswahl ist nicht gerade groß. Auf der Suche nach einem besonderen
Geburtstagsgeschenk für einen guten Freund mehrere Boutiquen
abgeklappert und auch in Kaufhäusern nachgefragt. Doch die meisten
Verkäufer schütteln den Kopf. "Nein, führen wir nicht." Nur hier und da hängen
zwischen der gängigen Ware einige wenige Exemplare, Überbleibsel aus dem
vergangenen Herbst. Lediglich ein Modell - grau meliert, mit Taschen und aus
Polyester - kann Michael vom California Store an der Zeil anbieten. In der
vergangenen Saison sei die Nachfrage größer gewesen, aber so richtig
durchgeschlagen habe die Mode in Frankfurt nicht.
Stimmt. Kaum ein Mann, der in der Öffentlichkeit damit zu sehen ist. Dabei
ist er doch so bequem, sagen die, die ihre Erfahrungen damit gemacht haben.
Der Lieblings-Friseur jedenfalls kann stundenlang über die Vorteile
schwärmen. Der lebt aber nicht in Frankfurt. Hier in der Banker-Stadt ist das
Interesse an dem Bekleidungsstück verhalten, selbst wenn es aus den
Ateliers namhafter Designer kommt. "Ist out", sagen die einen. "Wieder im
Kommen", sagen andere aus der Modebranche. In Berlin, Köln und
Düsseldorf, "dort wo die Avantgarde ist", wie ein Boutique-Verkäufer meint,
wird der Männerrock getragen. "In Frankfurt sind die Leut' halt nicht so
aufgeschlossen."
Warum nicht ein Exemplar aus der Damenabteilung verschenken? Was
macht denn eigentlich einen Rock zum Männerrock? "Lang muss er sein",
sagt der Verkäufer von Peek & Cloppenburg. Doch das ist kein gültiges
Kriterium - wie auf Straßen anderer Städte zu beobachten ist. Es gibt sie in
Wadenlänge, in pink und geblümt, zum Wickeln oder Knöpfen. Der Blick ins
Internet hilft in dieser Frage auch nicht weiter. Ist aber offensichtlich eine
Philosophie für sich, der Rock für den Mann. Da wird sogar auf das alte
Testament zurückgegriffen und zitiert: "Du sollst keine Kleider des anderen
Geschlechts tragen." Dem Herrn sei das ein Gräuel, heißt es in der Bibel
(Deuteronomium 22.5). Und AOL hat sogar Chatforen zum Thema
veranstaltet.
Die Knopfleiste des Männerrocks müsse rechts sein, stellt ein Kenner auf
seiner Homepage fest. Er hat sich sogar Gedanken darüber macht, wie das
Bekleidungsstück ganz vorsichtig und in kleinen Schritten salonfähig gemacht
werden kann. Die Herren der Schöpfung, die schon immer einen Rock tragen
wollten, sich aber nie getraut haben, brauchen einen langen Mantel ohne
Schlitz, ein T-Shirt, eine Hose und eben einen Rock - alle in der gleichen
Farbe. Zunächst trage er unter dem Mantel das T-Shirt und die Hose, nach
der ersten Gewöhnungsphase zieht er den Rock über die Hose an, der noch
vom Mantel verdeckt wird. Später wird ganz auf die Hose verzichtet. Und zu
guter letzt lässt der mutige und modische Mann auch der Mantel zu Hause -
vorausgesetzt natürlich, das Wetter macht mit.
Was die Frankfurter Geschäfte nicht bieten, ist im Internet zu haben: für jeden
Tag das passende Modell. Der Sunday-Rock aus Polyester- und
Wollmischung beispielsweise, ohne Schlitz und mit Klettband, verspricht
große Beinfreiheit. Bleibt noch die Frage zu klären, wie sich diese
Männermode in Frankfurt durchsetzen könnte. Trendsetter werden via Internet
zum Handeln aufgefordert: "Es kommen einige Männer in Röcken zusammen,
laufen als Gruppe in der Stadt herum und benutzen öffentliche
Verkehrsmittel." Eigentlich ganz einfach, oder? Nur Mut, Männer!
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Dokument erstellt am 28.07.2000 um 23:56:23 Uhr
Erscheinungsdatum 29.07.2000