Der will ein Tiger sein
Ich schreibe hier nicht oft, meistens lese ich nur. So lese ich, dass wir nicht im Rock auftreten sollen, da es liebe Mitmenschen gibt, die glauben, wir wollen eine Frau darstellen. Andere und ich glaube, das ist die Mehrzahl, die sind der Meinung wir seien schwul. Ich habe persönlich auch schon Beschimpfungen über mich ergehen lassen müssen, die in die Pädophilien-Szene gehörten.
Wir als gestandene Männer im Rock wissen, dass dies alles Anschuldigungen sind, die uns nicht betreffen. Aber was ist mit denen die neu zu uns stoßen. Ich glaube, sie nehmen diese Beschimpfungen zu ernst. Daraus ergibt sich dann der Zwang, es doch lieber sein zu lassen und wenn dann lieber des nachts, wenn man nicht so schnell erkannt wird und am besten in einer anderen Stadt, einen Rock anzuziehen.
Bei mir war es nicht anders. Als ich das erste Mal einen Rock trug, habe ich mich unterwegs zu unserem Stammtisch umgezogen. Dies geschah zwar aus Rücksicht auf meine Familie, aber egal, ich bin nicht so aus dem Haus gegangen. Ein paar Monate später, als ich gespürt habe, so kann ich mich nicht mehr im Spiegel ansehen, kam mir der Verdacht, dass doch nichts dabei ist, wenn ich einen Rock anhabe. Ich muß mich doch nicht vor anderen verstecken, auch nicht vor meiner Familie. Meine Kinder haben meiner Frau meine Grundrechte verlesen und ich bin auch im Rock aus dem Haus gegangen. Ihr werdet es nicht glauben, ich bin ein anderer Mensch geworden. Ich weiß nun, dass es mein Leben ist, das ich lebe und nicht das Leben eines anderen, der mich gern so sehen würde wie er es mag.
Wir alle haben doch Bedürfnisse. Dazu gehört auch Anerkennung und Achtung. Wenn diese Annerkennung und Achtung an Bedingungen geknüpft ist, dann stimmt da etwas nicht. So habe ich mich entschieden, lieber auf Anerkennung und Achtung zu verzichten und mich dafür aber jeden Morgen im Spiegel zu betrachten und zu merken, dass ich es bin, der mich da anglotzt und nicht irgend ein Statist, den sie in eine Hose gesteckt haben. Wenn ihr wissen wollt, wie ich mich fühle, sauwohl.
Sicher wird jedem der Fall Seehofer ein Begriff sein. Ich habe neulich im Radio einen Kommentar gehört, da ging es um besagten Minister. Er hat eine schwere Krankheit hinter sich und ist sich danach bewusst geworden, wo er steht. Um sein Leben zu leben, muß er zu den Dingen stehen, die er vertritt und nicht den anderen nach dem Mund reden. Genau das ist es, was ich auch empfunden habe, als ich nach schwerer Krankheit, wieder zu den lebenden gehörte. Irgendwo in ferner Zukunft gibt es etwas, da werden wir gefragt, was wir mit unserem Leben angefangen haben. Wenn wir sagen müssen: Welches Leben, ich habe immer nur das Leben der anderen gelebt, dann stehen wir schlecht da.
Dies was ich hier schreibe, trifft natürlich nur für alle diejenigen zu, die Röcke tragen um damit ihre innere Einstellung für alle nach außen sichtbar zu machen. Wenn einer einen Rock trägt, weil es in sein sollte, der braucht nicht weiter zu lesen. Der wird auch irgendwann wieder eine Hose tragen, bzw. keinen Rock mehr.
Eigentlich geht es mir gar nicht um den Rock, aber er ist eben so ein wunderbares Kriterium um zu selektieren. Ich könnte mir ebenso gut ein Leoparden Fell um die Schultern hängen, dann würden sie wohl sagen, der will ein Tiger sein. Wenn ich den Menschen in die Augen sehe, dann weiß ich, wo ich sie einordnen muß. Auf der einen Seite kann man die Menschen sammeln, die keine Probleme damit haben, dass Mann einen Rock anhat, auf der anderen Seite werden die Menschen gehäuft, die schon des nachts nicht schlafen können, wenn sie einen Mann im Rock gesehen haben. Ich kann so schön in den Gesichtern der Menschen lesen, die mir auf der Straße begegnen. Sie scheinen alle in meinen Bann gezogen zu sein und kehren ihr innerstes nach außen, ohne Scham. Die komplette Rumpelkammer, manche sagen auch Seele dazu, wir mir zu Füßen gelegt. Und sie merken nix.
Dies sind die Ansichten eines Mannes, der schon seit einigen Jahren Rock trägt, sich nicht beirren lässt und so seinen Weg gefunden hat. Ich möchte hiermit allen, die erst anfangen den Rock für sich zu entdecken, Mut machen. Wenn ihr glaubt, dass ihr einen Rock anziehen wollt, dann macht es. Laßt euch nicht beirren von denen, die euch von der Seite oder von hinten abschätzende Bemerkungen zustecken. Das sind diejenigen, die später auf die Frage nach dem Sinn ihres Lebens antworten: Tut mir leid, ich bin nur die Kopie von dem und dem.
Nick