wo fängt Toleranz an

Frank Helbig, Tuesday, 14.09.2004, 19:05 (vor 7593 Tagen)

Hallo,

ich arbeite seit sechs Wochen in einem neuen Team, bei einem Kunden der Finanz-Dienstleistungen. Dort sitze ich als Supporter in einer Hotline. Mein Kundenkontakt ist also zu 100% telefonischer Art.

In einem Herrenrock habe ich mich noch nicht blicken lassen, obwohl es von der legeren Kleiderordnung betrachtet möglich wäre.

Also trage ich brav z.B. eine dunkle Jeans, ein helles Hemd, und ein dunkles Sweatshirt. Als kleiner optischer Lichtblick eine unauffällige Halskette mit dünnem Lederband und einem kleinem Stein dran.

Tja, und heute sagte mein Teamchef:
"ich würde es lieber sehen, wenn Du die Kette unter dem Pulli trägst"

Ich war fassungslos, sprachlos, und bin auch heute abend noch nachdenklich.

Wie findet ihr so ein Verhalten?

(nein, es ist kein Scherz, der Vorfall hat sich tatsächlich ereignet)

Viele Grüße
Frank Helbig, Hannover

Re: wo fängt Toleranz an

Ferdi, Tuesday, 14.09.2004, 19:23 (vor 7593 Tagen) @ Frank Helbig

Hallo Frank!

Die Gefühle, die ich habe, nachdem ich Deinen Beitrag gelesen habe, sind so eine Mischung von Traurigkeit, Verständnislosigkeit und Wut.

Traurigkeit und Verständnislosigkeit deswegen, weil sich die Menschen mit sowas das Leben unnötig schwer machen. Ich frage mich, was der Teamchef gegen Deine Kette haben könnte. Die ist doch wirklich sowas von unscheinbar. Deine Arbeit am Telefon kann doch wirklich nicht darunter leiden.

Wutgefühle spüre ich deswegen, weil Arbeitgeber sich in diesen verhartzten Zeiten wohl so ziemlich alles erlauben können. Muckst Du auf, dann kann es passieren dass er sagt: "Wenn Ihnen das nicht passt, dann müssen Sie gehen. Draussen stehen schon 20 andere, die Ihren Job gerne machen". Kommt noch soweit, dass Chefs bei ihren Angestellten einen Unterwäscheappell veranstalten und wenn ihnen die nicht gefällt werden die Leute gefeuert. Soweit kommt das noch wenn das alles so weitergeht.

Was waren das doch für goldene Zeiten, als ich vor gut 30 Jahren die Meisterprüfung bestanden hatte und mit den Kollegen aus dem Prüfungssaal kam. Das war eine Art Spiessrutenlaufen. Rechts und links standen die Chefs und quatschten jeden an, der rauskam: "Fangen sie doch bei mir sofort an!" Damals konnte man sich die Chefs noch aussuchen, einen Rock hätte ich da spielend durchdrücken können. Und heute? Alles verharzt, alles beschissen, das geht auch nicht gut, das sehe ich voraus. Die Oktoberrevolution lässt grüssen!

Nachdenkliche Grüsse,
Ferdi

Re: wo fängt Toleranz an

MAS, Tuesday, 14.09.2004, 20:40 (vor 7593 Tagen) @ Frank Helbig

Hi Frank,

ich habe ja auch Erfahrung mit einem Chef, der mit meinem Rocktragen anfangs große Probleme hatte. Das gab er auch zu, hörte mir aber auch zu, und dann kamen wir zu dem Kompromiss, dass ich meine Röcke tragen soll, wenn ich will, aber nicht in der psychosomatischen Klinik, in der wir die Kantine benutzen, wegen der Patienten, die psychisch labil sind und jede Unnormalität penibel registrieren (könnten).

Also mein Vorschlag: Trage die Kette weiter wie bisher, und wenn Dich Dein Chef nochmal darauf anspricht, dann frage nach einem Grund. Und wenn er den genannt hat, kannst Du weiter überlegen. Hat es mit der Sicherheit zu tun, weil er Angst hat, Du könntest Dich mit der Kette irgendwo verfangen, dann kannst Du das erörtern, ob es so ist. Ist es sein persönlicher Geschmack, dann ist es sein Problem. Hat er Angst vor Kunden oder höheren Chefs, dann frage, ob von der Seite mal irgendwas gekommen ist (das hatte ich gegenüber einem früheren Chef mal so gefragt, als er wegen einer meiner Tätigkeiten Bedenken hatte), und wenn nicht, dann sage, er soll halt abwarten und ggf. sich wieder an Dich wenden.

Ihr seid ja anscheinend per Du. Da scheint das Arbeitsklima ja wohl so streng nicht zu sein. Oder?

Lass Dich nicht unter kriegen!

Liebe Grüße,

Michael

Re: wo fängt Toleranz an

bernd aus weil, Thursday, 16.09.2004, 19:31 (vor 7591 Tagen) @ Frank Helbig

hallo frank,
wie wär's einen stellenwechsel in betracht zu ziehen? [image]
zugegeben, ich laufe hier auch nicht im rock rum, obwohl es mich juckt. aber mit jeans und grünen riemenschuhen ohne strümpfe, und langen haaren mit spange und eben lackierten fingernägel gehe ich schon ins büro (patentabteilung chemiefirma). neulich hat mir der grosse chef (nach fast 4 jahren, aber er ist immerhin schon ende 50) auch das du angeboten. es geht also auch anders und direkt gefährdet sehe ich mich nicht ich wünsche dir alles gute, bernd