Hallo zusammen,
das waren ja einige sehr gegensätzliche Reaktionen, die es zu dem Begriff
"metrosexuell" und allgemein zum Schubladendenken gab. Vor allem die
Heftigkeit einiger Antworten hat mich doch sehr überrascht.
Schubladendenken gibt es, Punkt. Es ist Realität, und auch wenn sich
einige sehr wünschen, dass es das nicht gäbe, das ist ein Wunsch und
mehr nicht. Es ist irreal. Vom Wegwünschen verschwindet es nicht. Und
es gibt Schubladendenken auch bei uns selbst. Ich glaube sogar, dass
jeder Mensch es hat und braucht, um seine Umwelt zu sortieren und die
Eindrücke, die auf ihn einströmen, effizienter zu verarbeiten.
Zudem hat jeder von uns unterschiedliche Schubladen, und viele bemerken
wir wohl auch gar nicht mehr. Wenn da jemand von Spiessbürgern spricht
und ein anderer von "Islamisten, die nicht gleich Juden und Christen
in Brand stecken", dann waren da doch auch Schubladen am Werk. Gerade
an Time.Bandit mit seinem sehr energischen Posting möchte ich den
Spruch richten: Das, was uns in der Außenwelt am meisten stört, ist
oft genau dasselbe, was uns auch an uns selbst am meisten stört.
Die Welt und unsere Mitmenschen in Schubladen einzusortieren, ist ja
an und für sich auch noch nichts Schlechtes, solange einem jederzeit
klar ist, dass die Schubladen "offen" sind und jemand auch mal die
Schublade "wechseln" kann oder gleich mehrere belegt, weil er halt
eine facettenreiche oder auch widersprüchliche Persönlichkeit hat.
(Auch das hat Time.Bandit mit seinen Beispielen gut dargelegt.)
In der Steinzeit gab es wohl vor allem die lebenswichtigen Schubladen:
Gefahr (z.B. Raubtier), Essen, Paarungspartner, Unterschlupf und so
weiter. Heute haben wir ein paar mehr, und es ist auch an uns, ob wir
uns zum Sprachrohr unserer Kopfschubladen machen oder sie aktiv nutzen
und gestalten.
Wenn ich mit jemand, der z.B. Formel1- oder Boxfan ist, auf der sportlichen
Ebene nichts anfangen kann, weil ich diese Sportarten halt ziemlich
stupide finde, dann kann derselbe Mensch dennoch meinen Musikgeschmack,
meine Reisevorlieben, meine politischen Ansichten oder was auch immer
teilen, oder mir einfach generell super sympathisch sein.
Und eine heftige Aufregung über ein Verhalten anderer Leute, das wir
ja nicht aktiv verändern können, finde ich auch ziemlich überflüssig.
Wozu sich über Schubladendenken aufregen? Wenn jemand mich unbedingt
als metrosexuell oder schwul oder abnormal oder bescheuert ansehen
will, dann sagt das doch nichts über mich aus, sondern über den anderen,
und über das Bild, das er sich von mir macht. Ich kann über sowas eher
lächeln bis lachen als mich aufregen.
Auch dazu ein irgendwie passender Spruch: Obscenity is in the mind
of the beholder. Und auch Kunst hält nicht der Gesellschaft einen
Spiegel vor, sondern dem individuellen Betrachter. Männer wie wir
sind manchmal solch herumlaufende Kunstwerke, und unsere Betrachter
nehmen die Gelegenheit zum Spiegeln ja nur allzu gerne wahr.
Marc