Lieber Rocky,
tja, was soll ich sagen. Ich hatte bisher auch solche Ängste gehabt, daß mir so etwas passieren könnte. Aber ich denke, daß sich in dieser Hinsicht in den letzten 10 Jahren zum Glück doch etwas getan hat. Ich kenne nun nicht die Verhältnisse in der Schweiz und will deswegen auch nicht vorschnell urteilen. Aber in der BRD hätte ich mir in den 80er Jahren nicht getraut im Rock auf die Straße zu gehen. Auch hätten damals meine Freunde und Bekannten mir sonst etwas erzählt.
Durch die Entwicklung in den Massenmedien und den Kommunikationstechniken hat sich, was die Akzeptanz und Kenntnis von Herrenröcken betrifft, in den letzten 10 Jahren ein Perspektivenwechsel ergeben. Die Leute sind heute, so vermute ich, nicht aufgeschlossener, aufgrund zunehmender Toleranz, sondern weil die Medien einerseits und die Modekonzerne andererseits Herrenröcke erst in den Blickwinkel der Öffentlichkeit gerückt haben. So läßt sich schlußfolgern, daß ein Tabu u. a. durch breite Publikation enttabuisiert wird. Ferner kann auch unreflektiertes normiertes Verhalten durch eine medienwirksame Arbeit gerade dadurch und sogar entgegen seiner Norm verändert werden. Was gestern also noch "verboten" war oder als nicht salonfähig galt, kann heute als besonders erstrebenswert gelten und umgekehrt.
Die Kleiderordnung stellt eine von vielen Normen da, die dem Subjekt die Kategorisierung seines Weltbildes erleichtert. Aus dieser Perspektive wird auch die enorme Anzahl der Trachten und Uniformen der Menschheitsgeschichte verständlich.
Normiertes Verhalten in Frage zu stellen, hieße weitere Konventionen in Frage zu stellen. Aus einem Regelverstoß könnte sich demnach eine Revolution bilden. So ist natürlich verständlich, daß in Deinem Fall die Staatsmacht vor 10 Jahren überreagierte, als sie Dich grob behandelte.
Das Internet bietet nun endlich die Möglichkeit Gedanken auszutauschen und Diskussionen über tabuisierte Themen zu entfachen; und dies nunmehr ohne nennenswerte Risiken. Die Anonymität im Netz bietet also auch liberalere Diskussionsmöglichkeiten, als zur Zeit der 50er Jahre.
Wie gesagt, ich kenne die Verhältnisse in der Schweiz nicht. Aber ich denke, nach den Berichten aus diesem Forum zu urteilen, daß es in Zürich zeitweise liberaler zugehen könnte, als in Berlin, Frankfurt oder München. Ich weiß nicht, wie leicht Zürich für Dich erreichbar ist. Aber ich würde an Deiner Stelle versuchen, mich in Zürich im Rock entweder unters Volk zu mischen oder einem Herrenrockclub anzuschließen (zum Bleistift: http://www.datacomm.ch/nothafe/club_frame.html). Aber vielleicht schreibe ich zuviel und Du hast selber ganz tolle Ideen, wie man(n) mehrere Männer dazu bewegen könnte den Rock populärer zu machen. Ich denke da z. B. an Tanzkurse für Ehepaare (also Krea- oder ADTV-Tanz meine ich, nicht dieses Discogehopse) Den Abschlußball könnte man ja dann mit dem dementsprechenden Outfit veranstalten. Es würde ja schon genügen, wenn Du nur zwei weitere Ehepaare in Deiner Umgebung findest, die da mitmachen würden und dann als Trio-Paar in einen Kursus gehen. Vielleicht lassen sich dann die anderen Teilnehmer anstecken und dadurch eine "Kettenreaktion" auslösen.
Nun gut, mich würde übrigens interessieren, ob jemand anderes noch aus diesem Forum vergleichbare Erfahrungen gemacht hat. Man könnte dann nämlich anhand der Postings, die negativen den positiven Erfahrungen gegenüber stellen und seine Schlüsse daraus zu ziehen. (Ich will nicht voreingenommen sein, aber ich glaube jetzt schon, daß die positiven Erfahrungen, die negativen sicherlich haushoch überwiegen werden.)
Grüße und alles Gute
Athanasius (der Unsterbliche)
Ich lese seit ca. 4 Monaten regelmässig dieses Forum und möchte mich deshalb einmal vorstellen.
Ich bin aus der Schweiz (Nähe Aarau), 51 Jahre alt und habe schon Röcke in der Oeffentlichkeit getragen, weit bevor es Internet gab. Allerdings habe ich es immer vermieden, dies in der Nähe meines Wohnortes zu tun. Reisen (vor allem Deutschland und USA) habe ich aber rege benützt, im Rock aufzutreten.
Ich habe eine Lebenspartnerin, die von meiner Veranlagung weiss, diese aber nicht teilt, sondern nur toleriert.
Vor ca. 10 Jahren wurde ich einmal nachts auf einer Autobahn-Raststätte (im Rock) von der Polizei angehalten und ziemlich lange "verhört". Meine Personalien wurden aufgenommen und die Polizisten haben mich gewarnt, dass ich ruiniert sei, wenn dies in meinem Bekannten- und Arbeitgeberkreis bekannt werde. Ich habe dann zwar nichts mehr davon gehört, aber dieses Erlebnis hat mich so belastet, dass ich es bis vor zwei Jahren vermieden habe, mich wieder in Röcken zu zeigen.
Jetzt (unter anderem durch dieses Forum) habe ich wieder mehr Selbstvertrauen und werde vielleicht auch einmal an einem Eurer Treffen teilnehmen.
Gruss, Rocky
<ul><li>Schweizer Herrenrock-Club</ul>